Kein Platz für Vulvalippen im Duden?

von Helga Thauer

Seit 2018 fordert die Petition von Journalistinnen Dr. Gunda Windmüller und Dr. Mithu Sanyal, im Duden neben dem Wort „Schamlippen“ das Wort „Vulvalippen“ aufzunehmen. Schließlich sollte sich niemand für das weibliche Genital schämen. Die Genitalien oder weiblichen Geschlechtsteile seien „ein intimer, ein lustvoller Teil unseres Körpers“, ist in der Petition zu lesen. Doch trotz eines breiten Medienechos auf die Aktion ist noch nichts geschehen. Der Duden hält an „Schamlippen“ als Inbegriff eines verschämten Umgangs mit Sexualität fest. Höchste Zeit, dies zu ändern. Sprache prägt unsere Wahrnehmung. Und was sagt der Wortteil „Scham“ über unseren Blick auf die (vor allem weibliche) Sexualität aus?

Vulva, Vagina, Vulvalippen? Was ist das alles genau?

Vagina. Vulva. Klitoris. Venushügel. Vielen Frauen fällt es noch immer schwer, die eigene Anatomie richtig zu benennen. Am liebsten reden wir um das Untenrum drumherum – sprechen von Schambereich (da ist sie wieder, die Scham) und meinen damit so irgendwie alles unterhalb der Gürtellinie. Doch warum eigentlich? Vulva bezeichnet den äußeren Intimbereich, Vagina die Scheide, also die innere Verbindung zwischen Vulva und Gebärmutter. Die Begriffe auseinanderhalten zu können, sollte ebenso selbstverständlich sein, wie den Unterschied zwischen Penis und Hoden zu kennen Einen kleinen Test, wie gut Ihr Euch mit der eigenen Intimzone auskennt, findet Ihr übrigens hier.

Doch bevor Vulva und Vagina beim Namen genannt werden, greifen viele Frauen (und auch Männer) zu Spitznamen. Ganz neutrale, ganz kreative, sogar ganz niedliche, aber auch ganz verachtende. Ihr kennt sie alle:

  • Mumu
  • Möse
  • Muschi
  • Pussy
  • Lustgrotte
  • Bärenhöhle
  • Pfläumchen
  • Schneckchen

Wie benennt Ihr Vulva und Vagina?

Werden aus Schamlippen bald Vulvalippen?

Jede Vulva ist anders. Und besonders. Und schön. Sie alle sind kleine, individuelle Wunder. Dennoch sind häufige Google-Suchbegriffe wie „große Schamlippen“ oder „lange Schamlippen“ ernüchternd. Sind sie doch ein starkes Indiz für ein Schönheitsideal, das keines sein sollte. Chirurgische Schamlippen-Korrekturen sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Hilde Atalanta trotzt diesem Trend und feiert jede einzelne Vulva in ihrer „The Vulva Gallery“. Lest hier im Blog, warum ihr das so wichtig ist.

Geschichtlich sind Schamlippen als „Teufelszeug“ verschrien und die Scham hat sich tief in unser Bewusstsein eingeprägt. Bis heute nutzen nur wenige Frauen aber auch Ärzt*innen oder Journalist*innen den Begriff „Vulvalippen“, obwohl das die korrekte und modernere Form für Schamlippen ist.

Vulva plus Vagina = Vulvina

Zeitgemäß, diskriminierungsfrei und treffend für den ganzen weiblichen Genitalbereich scheint der Ausdruck „Vulvina“, eine Zusammenführung der Worte Vulva und Vagina. Urheberin des Namens ist Ella Berlin, eine Initiative für Frauen- und Mädchengesundheit. Die Bezeichnung „Vulvina“ soll nicht nur politisch, sondern auch anatomisch korrekt sein. Sie berücksichtigt neben der Tatsache, dass unser Geschlechtsorgan der Fortpflanzung dient, nun erstmals auch das Lustvolle und Sinnliche einer … ähm, Vulvina.

„Yoni“ als Alternative zu Schamlippen und Scheide?

Schön, wenn auch eher unbekannt, ist der Ausdruck „Yoni“. Yoni beschreibt das weibliche Genital ganzheitlich und bedeutet auf Sanskrit „Ursprung“ oder „Quelle“. Der Begriff steht als Symbol für schöpferische Energie. Das fühlt sich doch gleich besser an als der strenge, deutsche „Schambereich“.

Offensive gegen die Scham

Schamhügel, Schamlippen, Schamdreieck, Schamhaare – wir Frauen haben in Sachen Sprache noch ein ganzes Stück Weg vor uns. Denn was macht die omnipräsente Scham mit uns? Sie ist ein Gefühl. Ein beklemmendes sogar. Scham lähmt und behindert – unser Handeln, unser Bewusstsein, unsere Identität.

Louisa Dellert gegen „Udo“

Dass die Diskussion um die Scham und die damit verbundene sexistische Gewalt gerade auch in der digitalen Welt zu finden ist, zeigt die kürzliche Auseinandersetzung zwischen der Influencerin Louisa Dellert und dem Online-„Comedian“ Udo. Udo machte sich in einem Post über Wettkampfathletin Franziska Lohberger lustig, deren Vulvalippen sich unter einer engen Sporthose abzeichneten. Lohberger hatte sich gegen Vulva-Shaming ausgesprochen. Als Louisa Dellert Udos frauenfeindlichen Post entdeckte, kommentierte sie diesen kritisch – und erntete einen Hatestorm aus Udos männlicher Community.
Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, das zeigt, wie wichtig ein Umdenken in unserer Gesellschaft ist und dass noch lange nicht alles gut ist, wenn „Vulvalippen“ dann im Duden steht.

Vulvalippen – ein besseres Wort als Schamlippen

Lasst uns deshalb eine Lanze brechen für unsere Vagina und Vulva. So wie die knapp 40.000 Menschen, die die Vulvalippen-Petition für den Duden bereits unterzeichnet haben. Das nächste Ziel der Petition liegt übrigens bei 50.000 Unterschriften. Vielleicht bist Du ja dabei?

Lesetipps