Unter Strom – wie wir mit Stress besser umgehen

von Claudia Scheidemann
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Wenn wir etwas als stressig empfinden, dann wahrscheinlich die letzten Wochen, in denen das Corona-Virus unser Leben auf den Kopf stellt. Unzählige Fragen wirbeln durch den Kopf: Behalte ich meinen Arbeitsplatz und mein Einkommen? Kann ich mich im Homeoffice gleichzeitig auf meine Arbeit und die Schulaufgaben meiner Kinder konzentrieren? Bleiben wir alle gesund? Haben wir noch genug Toilettenpapier? Gibt es eigentlich irgendwo noch Mehl oder Hefe? Und die Mutter aller Fragen: Wie lange wird dieser Zustand noch andauern? Die aktuelle Unsicherheit befeuert unsere Angst. Angst ist ein großer Stressauslöser. Und Stress – das ist nun wirklich keine Neuigkeit – ist auf Dauer nicht gut für unser Immunsystem.

Dennoch können wir dem Stress auch etwas Gutes abgewinnen, wenn wir geschickt mit ihm umgehen. So, wie wir auch in der aktuellen Corona-Krise merken, dass die neuen Umstände nicht alle gänzlich übel sind. Vielfach kommt es auf die Brille an, mit der wir unser Leben betrachten. Stress oder kein Stress – das ist hier die Frage.

Was genau ist Stress überhaupt?

Stress ist der Sammelbegriff für verschiedene Reaktionen unseres Körpers auf außergewöhnliche Situationen. Unsere Aufmerksamkeit ist erhöht, wir werden leistungsfähiger, können schneller reagieren und uns besser auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren. Wir sind den anspruchsvollen Umständen einfach besser gewachsen. Verantwortlich für diese Reaktionen sind unsere Stresshormone, allen voran das Cortisol.

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Stress ist sinnvoll

An sich ist Stress also nichts Schädliches, sondern eine sehr sinnvolle Reaktion unseres Körpers zur Anpassung an turbulentere Zeiten. Gleichzeitig sind solche Phasen natürlich anstrengend und belastend. Deshalb sind ausreichende Erholungszeiten wirklich wichtig.

Stress ist nicht gleich Stress

Meistens verstehen wir unter Stress unsere Reaktionen auf negative Reize, also auf alles, was uns überfordert, unangenehm ist oder bedrohlich erscheint.

Neben dieser negativen Form des Stresses – dem sogenannten Disstress – gibt es jedoch auch die positive Anspannung – den Eustress. Damit sind Situationen gemeint, die uns zwar fordern, uns jedoch gleichzeitig auch Freude bereiten. Wer schon einmal mit Engagement bei einem ehrenamtlichen Projekt mitgearbeitet hat, weiß vermutlich, wie gut es sich anfühlt, eine großartige Sache auf die Beine zu stellen. Merkwürdigerweise haben wir für Dinge, die wir gerne tun, auch viel mehr Energie übrig als – sagen wir – für die nächste Steuererklärung. Dieser positive Stress lässt uns mit unseren Anforderungen wachsen und wirkt sich langfristig positiv auf unsere allgemeine Leistungsfähigkeit aus. Stress generell zu verteufeln, ist also nicht nötig.

Ohne Stress geht es nicht

Ein Leben ohne Stress ist sowieso nicht möglich, wenn wir uns nicht gerade entscheiden, komplett aus dieser Gesellschaft auszusteigen. Wir werden in unserem Leben immer wieder neuen und herausfordernden Situationen gegenüberstehen. Deshalb ist es gut zu wissen, dass unser Körper durch Stressreaktionen in der Lage ist, sich immer wieder anzupassen.
Nachteilig wirkt sich (Dis-) Stress vor allem dann aus, wenn wir uns keine ausreichenden Erholungspausen gönnen und immer unter Volldampf fahren.

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Die Perfektionismus-Falle

Knapp die Hälfte der Frauen gibt an, dass hohe Ansprüche an sich selbst ihr größter Stressfaktor ist. Ladies – merkt Ihr was? Kommt bitte raus aus der „Ich muss es jedem recht machen und alles muss hübsch ordentlich sein“-Falle. Natürlich kostet es Übung, diese innere Haltung zu verändern. Aber klar ist doch: Wer niemals die Akkus auflädt, ist irgendwann ausgebrannt.

Wenn in Zeiten von Homeoffice und Kinderbelustigung mal nicht frisch gekocht wird, sondern einfach Pizza bestellt oder Tiefkühl-Gemüse aufgewärmt wird, dann ist das so. Perfektionistisch veranlagte Frauen müssen sich vor allen Dingen die Erlaubnis geben, auch für uns selbst da sein zu dürfen, fünfe gerade sein zu lassen und für das eigene Wohlergehen zu sorgen. Perfektionismus ist der größte Feind der inneren Zufriedenheit. Das schreibt auch Melina in ihrem Blog „Vanilla Mind“.

Wer auch mal locker lässt, kann durchaus Vorbild sein: Für einen freundlicheren Umgang mit sich selbst oder für die Fähigkeit auch einmal „Nein“ sagen zu können. Diese Veränderung ist vielleicht am Anfang ein bisschen unbequem für die Umwelt, aber es lohnt sich, sich darin zu üben, um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben.

Nicht nur Frauen sind betroffen

Natürlich ist Stress kein reines Frauenthema. Auch viele Männer leiden unter Stress-Symptomen. Nur fällt es ihnen häufig schwerer, darüber zu sprechen. Besonders effektiv kommt aus der Stressfalle, wer zu zweit entspannt. Mit Mann oder Freund, mit Frau oder Freundin oder einem lieben Menschen, der auch die Perfektionistinnen unter uns so annimmt, wie sie sind.

By the way: Anna ist Stressmanagementtrainerin (so etwas gibt es tatsächlich) und schreibt in ihrem Blog „Fräulein Stressfrei“ ganz herrliche Artikel zum Thema Stress – oder eben nicht. Prädikat: lesenswert.

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