Paarpsychologie – was sich anzieht und was zusammenhält

von Claudia Scheidemann
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„Gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“? An der ewigen Frage zum passenden Partner scheiden sich die Geister. Glaubt man den Algorithmen der Online-Partnerbörsen und Dating-Portale, so kommt es vor allem auf möglichst viele Gemeinsamkeiten an, damit es zwischen zwei Menschen funkt. Und tatsächlich zeigen zahlreiche Untersuchungen: Wir wählen am liebsten Partner, die uns ähnlich sind. Berücksichtigt werden dabei die soziale Herkunft, geistige Interessen, kultureller Geschmack oder die eigene Reflexionsfähigkeit. Im internationalen Vergleich sind die Deutschen vor dem ersten Date sogar Anspruchs-Weltmeister. Singles haben hierzulande die höchsten Erwartungen. So wünschen sich zum Beispiel zwei Drittel nicht nur das gleiche Bildungsniveau, sondern auch den gleichen Musikgeschmack. 80% bevorzugen die gleiche Muttersprache.

Ähnlichkeit zählt nur im ersten Moment

Tatsache ist: In Krisenzeiten halten uns Ähnlichkeiten zusammen. Doch wie steht es nun mit der anziehenden Gegensätzlichkeit? Löst nicht gerade sie besonders starke Emotionen aus? Paarforscher Prof. Jürg Willi hat dazu eine sehr diplomatische Lösung parat:

„Gegensätze vom Gleichen ziehen sich an.“

Was Paare zusammenführt, hat die Psychologin Jule Specht untersucht. Sie kommt dabei zu erstaunlichen Ergebnissen. „Was zählt, wenn es zwischen zwei Menschen funkt, ist nicht die reale Ähnlichkeit zwischen ihnen, sondern lediglich der Eindruck, dass man sich ähnlich ist. Die Personen können in Wirklichkeit ganz verschieden sein.“ Auch der US-amerikanische Psychologe Paul Eastwick von der University of California kommt zu diesem Schluss: „Man verliebt sich und glaubt erst deshalb, dass man sich ähnlich ist.“ Gut zu wissen: Menschen bewerten Ähnlichkeiten nach ihrem Bauchgefühl beim Kennenlernen. Ob sie sich objektiv ähneln, spielt dabei keine Rolle. Die Frage ist natürlich: Wie ehrlich ist Frau beim ersten Date? Einen gleichzeitig witzigen und nachdenklichen Blog zu diesem Thema könnt Ihr hier lesen: „Maskerade – Was die Partnersuche mit meiner Persönlichkeit gemacht hat“.

Das Geheimnis der langen Beziehung

Was Paare auf Dauer zusammenhält, untersuchte die Psychologin Adrienne Kaufman an über 10.000 verheirateten Paaren. Sie fragte Männer und Frauen dabei nach ihren fünf grundlegenden Persönlichkeitsmerkmalen, den sogenannten „Big Five“. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind genetisch angelegt und schon bei Babys sichtbar.

Die Big Five der Psychologie beschäftigen sich mit der Offenheit für Erfahrungen (neugierig oder vorsichtig), Gewissenhaftigkeit (perfektionistisch oder nachlässig), Geselligkeit (extrovertiert oder zurückhaltend), Empathie (mitfühlend oder wettbewerbsorientiert) und emotionaler Stabilität einer Person (in sich ruhend oder verletzlich).

Das Ergebnis: Ob sich die Paare in ihrem Profil ähnelten oder nicht, spielte für das Beziehungsglück keine Rolle. Wohl aber die Gesamtpunktzahl, die die Partner auf allen fünf Skalen erreichten. Partner mit einer hohen Punktzahl waren zufriedener als Partner mit einer insgesamt niedrigen Punktzahl. Der Grund dafür leuchtet ein: Zwei emotional stabile, mitfühlende, gesellige, gewissenhafte und extrovertierte Menschen können dauerhaft besser miteinander umgehen, als zwei verletzliche, egoistische, zurückhaltende, nachlässige und grundsätzlich misstrauische Wesen. Wichtige Einflussfaktoren auf eine Beziehung kommen außerdem von außen: Krankheiten, Unfälle, Geldsorgen oder schwierige Familienverhältnisse können die stärkste Partnerschaft bedrohen.

Redet miteinander

Entscheidend für eine langjährige Beziehung ist vor allem die Qualität der Interaktion zwischen den Partnern. Gelingt es, auch in schlechten Zeiten respektvoll miteinander umzugehen, miteinander zu reden und die Stärken des Anderen wertzuschätzen, hat die Beziehung beste Chancen auf eine lange Lebensdauer. Der Sozialpsychologe Anatol Rapoport rät: „Wenn du eine positive Qualität in dir entdeckst, finde sie auch in deinem Partner. Wenn du eine negative Qualität in deinem Partner entdeckst, finde sie auch in dir.“

Daher gilt: Die Liebe ist nichts für Feiglinge – aber bei der Partnerwahl auf Algorithmen zu vertrauen, kann nicht die Lösung sein. Rausgehen, echte Menschen treffen und fühlen, ob es passt. Ob ähnlich oder gegensätzlich spielt dabei gar keine Rolle.

By the way: In ihrem Blog Mann-Frau-Blog geht Nikki Rose den Geheimnissen der wahren Liebe nach. Schaut doch einfach mal vorbei.

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