Ich bin dann mal weg – oder auch nicht…

von Susanne Schneider
Foto: iStock/Orbon Alija

Endlich Urlaub! Auf und davon – in die Berge, an den Strand, auf den Luxusliner oder ins Ferienhäuschen. Liegestuhl, Hüttenzauber, einsame Natur oder Großstadtdschungel. Hauptsache Erholung. Und dann ruft der liebe Kollege an: „Du, kannst Du mir mal kurz was erklären?“. Oder gleich die Chefin: „Ich hätte mal eine Frage zu Ihrem Projekt xy…“.

Wie empfindet Ihr das? Seid Ihr genervt? Oder beruhigt es Euch, wenn Ihr auch im Urlaub dafür sorgen könnt, dass auf der Arbeit alles läuft?

Gut 70% der Berufstätigen mit Firmenhandy sind auch im Urlaub beruflich erreichbar.

Irgendwie haben wir uns ja alle daran gewöhnt, ständig zu kommunizieren – mit den Freundinnen aus Nah und Fern, in diversen Interessensgruppen, mit den Kindern sowieso und selbst die alten Eltern melden sich nicht mehr übers Festnetz, sondern per Messenger-Dienst. Smartphone, Laptop und Tablet sind unsere Lebensbegleiter – auch im Urlaub. Ja und da ist es doch praktisch, über die mobilen Helfer für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Selbstverständlich nur in dringenden Fällen. Ein Telefonat hier, eine E-Mail dort – und schon stellt sich das gute Gefühl ein, dass zu Hause alles läuft. Aber ist das dann noch echter Urlaub?

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Meine Nachbarin Bettina ist Projektmanagerin und geht in ihrem Beruf auf. Die alte Weisheit von Konfuzius „Wähle einen Beruf, den Du liebst, und Du brauchst keinen Tag im Leben mehr zu arbeiten“ ist ihr Lebensmotto. Klar, dass sie auch im Urlaub für die Firma erreichbar ist. Dabei verreist sie oft und gerne. Sie sagt, sie könne sich sogar viel besser entspannen, wenn sie weiß, dass ihre Projekte so laufen, wie sie sie geplant hat: „Gerade bei einem aufwändigen Projekt ist eine Übergabe ganz schön kompliziert. Man muss an viele Details denken – und hat eine entscheidende Kleinigkeit vielleicht doch vergessen. Dann müssen die Kollegen sowieso anrufen. Oder sie treffen eine unpassende Entscheidung und ich habe nach dem Urlaub doppelt Stress, um den Fehler auszubügeln.“

Handys und Tablets – Ausdruck von Freiheit oder elektronische Fesseln?

Ingrid, eine Bekannte aus dem Yogakurs, ist das genaue Gegenteil von Bettina. Sie versteht die Genehmigung ihres Urlaubs als Lizenz zum Wegsein – und zwar nicht nur physisch, sondern auch mental. Sie fühlt sich durch das Bundesurlaubsgesetz geradezu verpflichtet, sich zu erholen. Das Gesetz aus dem Jahr 1963 schreibt einen Anspruch auf mindestens 24 Werktage Erholungsurlaub bei Lohnfortzahlung vor. Mit der Begründung, dass die Erhaltung der Arbeitskraft aufgrund des ständig steigenden Arbeitstempos gewährleistet bleiben muss. „Da waren wir von Smartphone & Co noch Lichtjahre entfernt, und was damals als nervliche und psychische Anspannung deklariert wurde, erscheint uns heute wie ein Kindergeburtstag“, verteidigt sie ihre Position.

„Außerhalb der Urlaubszeit müssen meine Familie und mein Mann schon oft genug Einschränkungen in Kauf nehmen“, sagt sie. „Dann bin ich wenigstens im Urlaub 100% für sie da. Und für mich selbst.“ Ein schlechtes Gewissen hat sie nicht, wenn sie sich diese absolute Auszeit vom Job nimmt, denn sie weiß, dass sie hinterher wieder viel produktiver und motivierter ist. „Das kommt am Ende doch auch meinem Arbeitgeber zugute“, findet sie.

Urlaub ist für Ingrid Freizeit: „Das Wort frei steckt da schon drin. Für mich heißt das auch, frei von Handy und Laptop, frei von Projekten, die nicht so laufen, wie sie sollten, und vor allem frei von Kollegen, die lieber schnell mal anrufen, als selbst nachzudenken.“ Paff, das sitzt!

Für Bettina bedeutet Freiheit dagegen etwas ganz anderes. Die Digitalisierung empfindet sie als Befreiung. „Wenn ich höre, dass Unternehmen ab 18.00 Uhr die Server abschalten, um den Mitarbeitern einen ungestörten Feierabend zu verordnen, sehe ich das als extreme Bevormundung.“ Und sie fragt: „Was ist mit all den Eltern, die um 19.30 Uhr ihre Kinder ins Bett bringen und dann nochmal ein Stündchen ihren Laptop hochfahren? Dafür konnten sie ja am Nachmittag eine Stunde länger mit ihren Kindern spielen. Ist doch super! Und so ist es auch im Urlaub. Wenn es draußen regnet und ich ohnehin nicht zum Strand gehe, kann ich die Zeit doch sinnvoll nutzen. Ich finde, wenn man es nicht übertreibt, spricht gegen Arbeit im Urlaub wirklich gar nichts.“

Tja, Ihr Lieben, was meint Ihr? Fessel oder Freiheit? Ganz weg oder noch ein bisschen da? Gibt es den einen oder den anderen Weg, der 100% richtig ist? Oder ist es nicht vielmehr so, dass jede für sich und für ihre Lebenssituation die passende Balance finden sollte?

Übrigens:

Wenn Ihr wissen wollt, wie es rechtlich um die Erreichbarkeit im Urlaub steht, findet Ihr Informationen bei timetac. Und bei Karoline Mohren könnt Ihr Digital Detox machen!

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